Der Kern meiner Begeisterung
Part I
Ich treibe auf dem Lichtfluß in Richtung des Baumdoms. Es ist ein Ort
der Stille, Ruhe, Kraft, ein Ort des Nichts und des Alles; ein Ort, an dem sich
alle Dimensionen überscheniden und eine Oase geschaffen haben. Der Fluß
aus Licht ist gesäumt von gigantischen hohen Bäumen, deren Kronen
weit oben ein Dach bilden, durch das nur hin und wieder ein Fetzen blau durchdringt.
Das vorherrschende Licht in diesem Dom ist grünlich/warm/geheimnisvoll.
Am Ende des Flusses ergibt er sich in einen runden Teich aus Licht, und die
Bäume bilden eine Geborgenheit um diesen Teich. In der Mitte dessen ist
eine Insel aus moosbewachsenem und blühendem Wurzelgeflecht, und dieses
Geflecht bildet eine große Schale, in der sich ein erwachsener Mensch
bequem ausstrecken und hinlegen kann.
Da ich mich im vorgeschlagenen schwarzen „Nichts“ unwohl fühle,
wähle ich meine Wurzelschale als Ausgangspunkt für meine Reise. Der
Dom ist durchzogen von wispernden Stimmen, sanften Windströmungen und Geistern,
die flüstern und raunen.
Ich mache mir bewußt, welche Gefühle es sind, die mir Kraft, Begeisterung,
Energie und Leben geben und bitte sie, sich mir noch einmal klar darzustellen.
Als erstes kommt die Stimme der Liebe zu mir, zeigt sich in einem gewundenen
Strang aus leuchtender Energie, steht als Lichtsäule vor mir. „Ich
bin Deine vorherrschende Kraft, die, der Du am meisten vertraust. Ich bewege
alles, bin Motor, Motivation, Urheber aller anderen Gefühle. Ohne mich
ist nichts, ohne mich lebt nichts. Ich bin allumfassend und alles. In mir hast
Du die größte Stütze, ich kann Dir alles ermöglichen.“
Um meine Liebe herum windet sich ein zweiter Geist, Berührung. Sie sagt:
„ Ich bin Dein Medium, Deine Kommunikation, mit der Du Deine Kraft (Liebe)
nach außen hin spürbar machen kannst. Mit mir an Deiner Seite kannst
Du lindern, helfen, geben, initiieren, Steine in Bewegung setzen. Lerne, mich
ganz zuzulassen und Richte Deine Aufmerksamkeit auf Dein Umfeld. Du wirst spüren,
wann welche Berührung notwendig ist.“
Liebe und Berührung bilden eine Art festen Strang, den ein dritter „Geist“
umschließt wie .. Gummi um ein Kabel... : “Ich bin Seele. Ich halte
Deinen Kern zusammen. Ich fördere Wachstum und sammle. Das, was Du an Erfahrung
mit Deiner Liebe und Berührung sammelst, nehme ich auf und einige es. Es
ist wichtig, daß Du den Menschen bewußt machst, von welchem Wert
ihre Seelen sind. Es ist Deine Aufgabe, erst einmal selbst völlig zu gesunden
und dann anderen zu helfen, zu wachsen, sich mit ihrer Seele und sich selbst
zu beschäftigen.“ Weitere Stimmen und Geister schließen sich
um meinen Kern und winden sich wie Ranken um den mittleren Strang: Lebensfreude,
Kreativität; Phantasie.
Das Gebilde vor mir pulsiert voller Kraft und schießt dann auf mich zu,
dringt in mich ein und durchbohrt mich, breitet sich in mir aus. Dann bricht
an vielen Stellen meines Körpers die Haut auf und weißschimmernde
Blüten treiben aus mir heraus. Es ist ein gebendes, zugleich erfüllendes
und angenehmes Gefühl.
Part II
Ich bin Engel, schlage kraftvoll mit den Flügeln und fliege in die Höhe
der Baumkathedrale, durchdringe das Blätterdach und finde mich in einem
sphärischen Areal wieder: Hell erleuchtet, von unzähligen Sonnen,
Sternen und verschiedenfarbigen Monden, Wolkenbänken und Sonnensystemen
sehe ich deutlich die Schnittstelle der vielfältigsten Dimensionen. Der
Dom wird unter mir immer kleiner, ich tauche in die Wolken ein und freue mich
einfach nur am Fliegen, erforsche meine Umgebung und stelle erstaunt fest, daß
ich mich gut auskenne und immer wieder ohne Probleme zum Dom finde.
Ich lasse mich auf den Wolken nieder und laufe eine zeitlang darauf herum; irgendwann
bildet sich eine Mauer aus Wolke, die einen ebenfalls aus Wolke gebildeten schmiedeeisernen
Zaun darstellen. Neben diesem Zaun laufe ich entlang, bis ich vor einem Tor
stehe. Mich erzürnt der Zaun und das verschlossene Tor. Wozu sperrt man
mich aus? Wozu steht hier eine Barriere? „Warum fühlst Du Dich ausgesperrt?“
werde ich gefragt. Ich lächle und verwische die Wolken, die mir den Weg
versperren, so daß mein Weg in einen Wolkengarten frei wird.
Alles ist hier aus sonnenbeschienen Wolken gefertigt: Blumen, Büsche, Bäume,
Gras, Kies, ein Skulpturbrunnen, sogar das Schloß im Hintergrund, Einzäunungen,
eben alles. Sogar die Menschen, die sich in diesem Garten ein Stelldichein geben,
sind aus Wolken. Heiteres Gelächter, Gespräche, buntlustiges Treiben,
kindliche Spiele und Frohsinn finden sich in einem fröhlichen Fest wieder.
Ich spüre, daß ich auch gerne dabei wäre – aber irgendwie
nicht dazugehöre. Es ist keine Ablehnung da, im Gegenteil, die Gesichter,
die sich mir zuwenden, sind freundlich, aber ich fühle mich ausgeschlossen.
„Warum willst Du Dich ausgeschlossen fühlen?“ fragt mich dieselbe
Stimme von vorhin wieder. „Weil ich alleine sein möchte“, stelle
ich erstaunt fest. Mich ärgerte das bunte, laute Treiben. Ich suchte Stille....
In diesem Moment verschmelzen alle Gestalten in eine einzige, einen älteren
Mann, der in einem (wie könnte es anders sein?) Wolkenschaukelstuhl sitzt
und sacht vor sich hinschaukelt. Er hat ein wenig die Züge von Steve im
Gesicht, lächelt und schaut mich erwartungsvoll an. Ich klettere auf seinen
Schoß und lege meine Flügel zusammen, lasse meine Beine baumeln und
kuschle mich an ihn. Fühlt sich irgendwie väterlich an.... So habe
ich mir einen Vater gewünscht.... Allvater schmunzelt. Ich muß kichern.
Das, was andere als Gott bezeichnen, hält einen weißen Engel auf
dem Schoß und schaukelt im Schaukelstuhl auf einer Wolkenwiese.... (grins)
„Hast Du etwas für mich?“ frage ich Allvater, und „Was
hast Du für mich?“ bekomme ich in der mir bekannten Stimme zur Antwort.
Ich erzähle ihm von den Dingen, die mich bewegen, von den Plänen,
die ich habe, von meinen Träumen, Sehnsüchten, Wünschen.
„Du darfst nicht glauben, daß ich Dich vergessen habe“, sagt
Allvater. „Aber Du mußt auch davon überzeugt sein, daß
ich Dir schenke, wonach Dir ist und was Du Dir wahrhaftig wünschst und
was Du wahrhaftig willst. Wenn Du Deine Wünsche nicht vor Deinem Herzen
und Deinem Glauben klar äußern kannst, kann ich sie Dir nicht erfüllen.“
Ich denke an unsere Gemeinschaft und daß uns das Geld dazu fehlt. „
Du willst kein Geld,“ meint Allvater, „Du willst eine große
Familie, einen Freundeskreis, der mit Dir zusammen lebt. Aber wenn die Menschen,
mit denen Du leben willst, nicht daran glauben, daß es funktioniert, kann
es auch nicht geschehen. Wenn nur ein einziger dabei ist, der nicht glaubt,
ist die Energie unterbrochen. Außerdem fühlst Du Dich im Moment sehr
wohl in Deiner Wohnung und siehst das Gemeinschaftsprojekt eher in der Zukunft,
nicht wahr? Du willst im Augenblick gar keine Veränderung.“ Ich nicke.
Es ist ein Horrorgespenst, daß ich dann keine Rückzugsmöglichkeit
mehr habe, daß ich nicht mehr alleine sein kann, wenn mir danach ist und
daß meine „Lieben“ meinen Wunsch nach Ruhe nicht berücksichtigen
und mir zu jeder Stunde auf der Nase sitzen.... Ich habe Angst, daß in
einer Gemeinschaft meine Bedürfnisse nicht gewürdigt werden, ich mich
nicht klar abgrenzen kann und ich zu „Allgemeingut“ verkomme.
„Dann definiere mir das, was Du willst. Glaube erst einmal selbst und
stärke Deinen Glauben. Dann gehe hinaus und hilf denen glauben, die es
gerne möchten.... Du kannst alles haben und alles bewegen. Sei klar in
dem, was Du willst.“
Ich bleibe noch eine Weile nachdenklich auf Allvaters Schoß sitzen und
spüre, daß sich einige Dinge in mir klären; ich treffe Entscheidungen,
die mein weiteres Leben beeinflussen werden. Irgendwann verabschiede ich mich
von Allvater und fliege zurück.